Schatten im Coaching
Ich spreche hier nicht von Schatten-Coaching, in dem der Coach als physischer „Schatten“ den Klienten in seinem Problemumfeld eine Zeit lang begleitet. Ich meine den Schatten, der den Erfolg von Coaching bedroht.
Coaching ist ein lösungsorientiertes, auf kurzfristige Begleitung angelegtes, Format. Hin und wieder liegt über dem Coachingprozess ein Schatten, der vernebelt, verdunkelt, manchmal bedroht. Der Klient bringt kein Licht ins Dunkel – hält sein tiefer liegendes Problem sorgsam unter Verschluss. Und der Coach hat meist weder die Zeit noch den Auftrag erhellend zu wirken. Wenn die von Ahnung getriebenen Interventionen des Coachs scheitern, wird bearbeitet, was der Klient anbietet. So ist das Verständnis von Coaching.
Zwei Menschen bewegen sich von nun an gemeinsam durch einen intimen Prozess. Und obwohl der Klient den Erfolg bewertet – und vielleicht mit seinem Ergebnis zufrieden ist … Der Coach kann sein eigenes Bedürfnis nicht verleugnen: den Wunsch wirklich zu helfen.
Auch um mich für derartige Enttäuschungen zu stählen, habe ich mich vom Verein für Suizid-Prävention ausbilden lassen für den Dienst am anonymen Krisentelefon. Dort werde ich konfrontiert mit Schicksalen, die mir manchmal den Atem rauben, mit psychisch Kranken, Depressiven, Debilen, Einsamen und mit ganz „Normalen“ in einer Lebenskrise. Meine Hilfe am Telefon beschränkt sich auf zuhören, da sein, klug fragen und immer wieder zuhören. Ich bekomme Kenntnis von einer Schattenwelt, die im Coaching nicht zur Sprache kommt. Und gleichzeitig trainiere ich, was für mich als Coach so wichtig ist: Ich höre zu, beziehe mich auf Angebotenes, widerstehe dem Impuls, mit einem Rat zu intervenieren – und halte aus, dass ich nicht helfen kann. Nur da sein und zuhören. Diese Schattenwelt, von der ich hier Kenntnis bekomme, ist oft so furchtbar ist, dass ich sie selbst als Zuhörer kaum ertragen kann. Nach einer Stunde den Hörer aufzulegen mit dem sich immer wiederholenden Gefühl „Ich kann nicht helfen“ ist ein hartes Training für respektvolle Distanz und die Akzeptanz von Selbstbestimmung – Kompetenzen, die mich als Coach stark machen.
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