Dem schlechten Gewissen die Stirn bieten

Ulf D. Posé, Präsident des Ethikverbands der Deutschen Wirtschaft, unterscheidet drei Arten von Gewissen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen: das moralische, das sittliche und das funktionale Gewissen.

Moralisches Gewissen

Das am tiefsten verwurzelte und oft unreflektierte ist das moralische Gewissen. Unsere Altvorderen haben es uns per Erziehung mitgegeben und tief in unserem Unbewussten verankert. Die gesamte Ahnenfolge pflanzt uns auf diese Weise ihr Erbe ein. Verstoßen wir gegen eine dieser archaischen Regeln, quälen uns Schuldgefühle.

Sittliches Gewissen

Besser sind wir da mit dem sittlichen Gewissen aufgestellt. Nach Posé ist dies eine innerpsychische Instanz, die uns die Möglichkeit gibt, unsere Absichten zu reflektieren. Das sittliche Gewissen wägt Pro und Contra gegeneinander ab und orientiert sich dabei an Werten, die wir selbst gewählt haben und für die wir daher die volle Verantwortung tragen. Sittlich verantwortlich können wir uns deshalb durchaus auch gegen moralische Werte entscheiden. Vorausgesetzt wir haben sie als falsch, oder als nur in bestimmten Situationen richtig, definiert. Wenn wir uns auf diese Weise reflektiert gegen einen moralischen Wert entscheiden, fühlen wir uns nicht diffus schuldig. Wir haben dem schlechten Gewissen die Stirn geboten und halten in voller Verantwortung unserer Entscheidung diese Spannung aus. Denn wir haben uns sittlich richtig entschieden.

Funktionales Gewissen

Als drittes nennt Posé das funktionale Gewissen. Es basiert nicht auf Werten, sondern auf dem Zugehörigkeitsgefühl zu einem System wie beispielsweise einer Familie, einer Firma oder einem Staat. Dieses Gewissen erscheint eher wie Loyalität und hat damit das Zeug „zur Unmenschlichkeit zu pervertieren“. Das systemangepasste Funktionieren beobachtet Posé bei vielen Managern. Er fragt sich, ob sie sich einfach bequem verhalten im Interesse ihrer wirtschaftlichen Sicherheit oder opportunistisch zum Wohle ihrer eigenen Karriere. Er stellt aber auch in den Raum, ob Unternehmen ihren Managern überhaupt Raum lassen für sittliches Handeln oder womöglich „Kadavergehorsam“ verlangen. Auf Letzteres mag der eine oder andere mit Kündigung, oder schlimmer mit Burn-out, reagieren. Gefährlich für Unternehmen und Mitarbeiter ist, wer in der Überzeugung seine Pflicht zu erfüllen vollkommen mit sich im Reinen ist. Denn er handelt dann strikt nach seinem formalen Gewissen. Sittlich oder ethisch ist sein Verhalten damit nicht.

Quelle: Ulf D. Posé, Moralisches Missverständnis: Folge deinem Gewissen!, managerSeminare, Heft 162, S. 53